Freitag, 23. September 2011

Erfahrungsbericht: Aurora - Das letzte Experiment


Bei Aurora - Das letzte Experiment handelt es sich um ein Adventure aus dem Jahr 2007 das von BluMiAl Studios entwickelt wurde.
Hinter letzterem verbergen sich offenbar zwei Italiener, Aurora war das erste veröffentlichte Spiel der beiden und dürfte wohl auch das einzige bleiben, da das Unternehmen nicht mehr zu existieren scheint. Es gibt weder eine Unternehmensseite, auf die ich verlinken könnte, noch eine offizielle Game-Seite.

Gestolpert bin ich über das Spiel bei Ebay, Interesse weckte - neben den mittelmäßigen bis schlechten Kritiken, die das Spiel für dieses Blog geradezu prädestinieren, vor allem der Titel. Aurora ist nicht nur ein toll klingendes Wort, sondern auch eine hübsch anzusehende Sache - wenn sich etwas mit diesem Namen schmückt, muss doch irgendwas dran sein, dachte ich.


Außerdem ist auf dem Cover der DVD-Hülle eine Frau mit futuristisch aussehendem Haarhelm zu sehen. Schade, dass sie im Spiel nicht vorkommt (naja, zwei mal sieht man sie kurz durchs Bild laufen).

Laut Rückseite der Verpackung ist Aurora ein "packendes Point-and-Click Adventure, das im hochdetailliert dargestellten New Mexiko der 50er Jahre spielt".
Außerdem hat es
  • 3D-Umgebung
  • Multiple-Choice-Dialoge und verzweigte Handlungsstränge mit mehreren (wovon mehrere wird leider nicht verraten)
  • Erstklassiger Soundtrack und Audio-Effekte
  • Animierte und interaktive 3D-Charaktere
  • Logik-Rätsel und -Puzzles
Zum inhaltlichen Aspekt wären noch einzuwerfen: gerüchteweiser Absturz eines UFOs in Roswell im Jahr 1950, Area 51 und Projekt Aurora.

Das erste was dabei auffällt, ist das Jahr 1950. Der Roswell-Zwischenfall war ja 1947 - Absicht? Zufall? Ein Fehler? Ein Paralleluniversum? Antwort darauf habe ich keine, denn es wird im Spiel nicht erklärt.

Ein Handbuch gibt es nur in PDF-Form, es hat gerade mal 9 Seiten, von denen sich nur 4 mit der Steuerung des Spiels beschäftigen - was aber nicht unbedingt etwas schlechtes ist, weist es doch auf eine simple Bedienung hin.

Die Installation des Spiels verlief problemlos und dauerte auch nicht übermäßig lang (im Gegensatz zu Against Rome).

Nach dem Starten des Spiels erscheint dann erstmal dieses Menü, das auch gleich einen schönen Eindruck davon vermittelt, was man vom Spiel erwarten kann.

Aurora -Das letze Experiment.

Optionen zum Umstellen gibt es übrigens keine, auch wenn das Startmenü gegenteiliges vermuten lässt: man erhält über diesen Menüpunkt lediglich Zugang zu Website, Handbuch und Email-Adresse.

Man selbst schlüpft im Spiel in die Rolle von John Pileggi, der ganz dem Klischee-Detektiv eines Film Noir entspricht, offenbar einen Hang zu Alkohol hat, von seiner Frau verlassen wurde und so pleite ist, dass er sich nicht mal eine Zeitung leisten kann.

John Pilggi. Hat ein Bild von sich selbst am Schreibtisch stehen.

Unterteilt ist das Geschehen in drei Tage, was für die Handlung aber keine wesentliche Rolle spielt.
Die Story beginnt damit, dass jemand einen Brief unter der Tür des Detektivs durchschiebt: eine Frau beauftragt ihn darin, nach ihrem Freund zu suchen. Diesem gehörte das Grundstück, auf dem das abgestürzte Objekt gefunden wurde, und sie glaubt, dass sein Verschwinden damit zu tun hat.
Der gute Pileggi macht sich also auf die Suche, mangels anderer Möglichkeiten löst er aber erstmal einen ganz anderen Fall, bei dem es um Versicherungsbetrug geht. Zum Dank dafür verrät ihm der Sheriff dann etwas, dass ihm bezüglich des Verschwundenen weiterhilft.
Normalerweise würde ich ab diesem Zeitpunkt vage werden in der weiteren Beschreibung, aber da ich es für eher unwahrscheinlich halte, eine nennenswerte Anzahl potentielle Spieler und -innen damit zu verschrecken, erlaube ich mir hier ein paar Spoiler:

Der verschwundene Freund ist bereits seit 8 Jahren tot, aber in seinem Haus findet Pileggi einen geheimen Zugang zu Area 51. Dank einem Ausweis, den ihm ein mysteriöser Fremder zuvor in einer dunklen Gasse zugesteckt hat, kann er sich Zutritt zu einem geheimen Sektor verschaffen, als es plötzlich kracht und er sich im Jahr 1997 befindet.
Dort recherchiert er auch wieder ein Weilchen rum und erfährt schließlich, dass damals russische Rebellen Area 51 angriffen. Dabei kam es in Verbindung mit der Zeitmaschine Aurora zu einer nuklearen Katastrophe, und er, Pileggi, landete irgendwie in der Zukunft. Mithilfe eines Wissenschaftlers, der sich als Sohn des damaligen mysteriösen Fremden rausstellt, reist er mittels einer weiteren Zeitmaschine zurück und verhindert das ganze. Im Abspann erfahren wir, dass der Brief von seiner Frau geschrieben wurde, die unfreiwillig zu den Rebellen gehörte und hoffte, so seine Neugier zu wecken und ihn zu weiteren Nachforschungen zu bewegen.

Ganz schön Hightech für 1947 oder 1950.

Die Idee mit der Zeitmaschine als Ursache für den Roswell-Zwischenfall fand ich eigentlich gar nicht so schlecht, - ich hatte ja ganz einfallslos mit UFOs und Aliens gerechnet -, leider war sie aber nicht besonders gut umgesetzt. Der Versicherungsfall am Anfang nimmt meiner Meinung nach zu viel Raum ein und lenkt von der eigentlichen Story ab, dafür hätte einiges in Area 51 und im letzten Teil des Spiels durchaus detaillierter und ausgiebiger ablaufen können.
Viele Handlungsstränge führen nirgendwo hin oder sind unnötig. Die ganze Sache mit dem Brief passt gar nicht rein und fühlt sich unvollständig an, eine Szene mit fehlenden drei Minuten wird nie erklärt, ebenso wenig der Film mit den drei leuchtenden Lichtern in Area 51, wozu ich einen sechsstelligen Code rumtrage, erfahre ich auch nicht, und was jetzt am Ende eigentlich tatsächlich passiert ist - abseits von dem, was Pileggi verhindert hat -, kommt auch nicht so ganz raus. Alles in allem wirkte die Story nicht fertig durchdacht.

Die Charaktere sind ebenfalls nicht besonders ausgereift, was vor allem damit zusammenhängt, dass man fast nichts über sie erfährt und sie selbst auch nichts von sich geben - Sprachausgabe gibt es nämlich nicht. Von Pileggi bekommt man, bis auf vereinzelte Meldungen, nur während einer handvoll Dialoge etwas mit, die meisten anderen Charakere stehen ohnehin nur regungslos in der Landschaft rum.

Barkeeper.

Die Steuerung ist theoretisch simpel - man klickt auf ein Objekt, um es zu nehmen, zieht es über einen anderen Gegenstand, um es zu kombinieren oder eine Lupe darüber, wenn man es sich näher ansehen will. Dennoch ist die Handhabung des Inventorys eine Qual. Dieses befindet sich in einer Leiste am oberen Bildschirmrand. Um es zu öffnen, reicht es nicht, die Maus einfach nach oben zu bewegen - sie musste ganz nach links in der Leiste, wo sich ein Kistensymbol befindet. Dann klappt die Leiste auf und man kann die Maus zu einem der Objekte darin bewegen. Aber wehe man rutscht dabei nach unten, aus der Leiste heraus, dann ist die Leiste nämlich gleich wieder weg und man muss wieder ganz nach links zur Kiste.

Etwas seltsam ist auch die Handhabung der Nahansicht: will man ein Objekt im Raum näher betrachten, muss man eine Lupe aus dem Inventory darüberziehen. Will man allerdings ein Objekt aus dem Inventory näher ansehen, muss man dieses nehmen und über eine andere Lupe im Inventory ziehen.

Zur Fortbewegung klickt man auf Richtungspfeile, die an bestimmten Stellen auf dem Bildschirm erscheinen, oder auf Türschnallen, wenn man Türen öffnen will. Hier gibt es weniger Rumsucherei als in so manchem anderen Spiel, da die entsprechenden Ausgänge doch meist deutlich erkennbar sind, aber auf Dauer ist die ständige 90°- oder 180°-Dreherei doch ein wenig nervig.
Daneben gibt es noch eine Übersichtskarte, mittels derer man sich an andere Orte begeben kann.



Die verschiedenen Schwierigkeitsgrade und die Bandbreite der Rätsel sind enorm. Diese sind teilweise simpel (zerschneide Kabel mit Zange), teilweise konventionell (Schieberätsel, Musikrätsel, Hebelrätsel,...), teilweise in fast der gleichen Konstellation aus anderen Spielen bekannt (verbranntes Papier mit zwei Hutgestellen aus Draht und einer Flamme wieder lesbar machen), teilweise etwas, ähm, gewöhnungsbedürftig (eine palindromische Primzahl finden) und teilweise komplett an den Haaren herbeigezogen.

Oder kommt wirklich jemand - ohne irgendeinen Hinweis - auf die Idee, dass das Computer-Passwort dieses Herrn nur "condor five" sein kann?

Die Grafik ist für 2007 doch ein wenig bescheiden. Einige der Räume sehen durchaus ok aus, andere dafür weniger. Vor allem die Personen kommen unvorteilhaft rüber: ein paar einzelne machen eine immer gleiche Alibi-Bewegung, die meisten sind aber entweder genauso starr und unbeweglich wie der Hintergrund, oder das Gesicht verschiebt sich innerhalb des Kopfes um ein paar Pixel, während der Rest des Körpers wie festgefroren ist - spooky!
Zwischendurch gibt es auch mal kurze, unspektakuläre Zwischensequenzen (sofern sie funktionieren... aber dazu später mehr).

Im Gespräch mit dem Portier.

Sprachausgabe gibt es, wie bereits erwähnt, keine. Dafür aber einige Soundeffekte und eine saxophonlastige Hintergrundmusik, die durchaus zu den gelungeneren Elementen des Spiels zählt.

Verwirrend ist der Sprachenmix: Beschriftungen, die Teil des Hintergrunds sind, sind manchmal italienisch (zB am Zeitungsstand oder an den Toilettentüren der Kneipe) manchmal aber auch englisch (zB im Sheriff-Büro oder in Area 51). Beschriftungen, die man in Nahansicht ansehen kann (Briefe, Zeitungen), sind in den meisten Fällen deutsch - und in der Regel in furchtbar unleserlichen Schriftarten -, gelegentlich aber auch englisch. Außer die Ausweise der US-Army, die sind interessanterweise halb englisch, halb italienisch.
Die Dialoge sind durchwegs deutsch (und sehr kurz), die Meldungen beim Betreten eines neues Gebietes sind englisch, die Bezeichnungen auf der Übersichtskarte ebenfalls. Detailbeschreibungen von Objekten sind in deutsch - außer wenn sie italienisch sind.
Und die Bezeichnungen der Objekte in der Inventarleiste sind durchwegs italienisch - besonders doof, wenn man etwas zusammenbauen muss und keine Ahnung hat, was man da eigentlich für Teile mit sich rumträgt.

Inventarleiste und eine Versicherungspolice, inklusive aktivierter Rechtschreibprüfung.

Aber die eigentlichen Bugs kommen ja erst noch: die Reihenfolge der nötigen Aktionen ist leider nicht richtig durchdacht. Manchmal kann man das, was man machen soll, nicht machen, weil man gar nicht an den Ort kann, an den man muss. Das führt zu Sackgassen, was das Laden eines früheren Speicherstandes nötig macht.

So muss man zB an einer Stelle einem Journalisten den Presseausweis klauen. Leider klappte es nicht und der Journalist haute ab - sodass ich mich vorerst anderen Dingen zuwandte. Einige Zeit später konnte ich plötzlich nichts mehr machen, außer nachts in das Gebäude des Roswell Daily Chronicle einzubrechen. Nach Hause wollte er nicht ("Habe noch zu tun"), zum Untersuchungsort auch nicht ("Zu spät, mach ich morgen"), und im Roswell Daily Chronicle konnte ich nichts anderes zu tun, als mir einen Tisch in Nahansicht anzusehen. Nach einem Blick in die Lösung stellte sich heraus, dass ich den Presseausweis auf den Tisch legen musste, um weiterspielen zu können... den ich natürlich nicht hatte.

Noch schlimmer war jedoch, dass das Spiel an zwei Stellen, an denen Videos abgespielt werden sollten, crashte. Es gibt keinen Patch für dieses Problem, wohl aber eine Menge Leute, denen das gleiche passiert ist. Ich probierte sämtliche Tipps durch, die in diversen Foren empfohlen wurden, hatte jedoch keinen Erfolg.

Unbekannter Fehler.

Da ich auch nicht aufgeben wollte, nachdem ich mich schon so weit durchgekämpft hatte, machte ich mich auf die Suche nach passenden und funktionsfähigen Savegames, die ich schließlich auch fand. Unterm Strich verbrachte ich jedenfalls mehr Zeit mit der Lösung des Crash-Problems als mit dem eigentlichen Spiel.

Wie das Gameplay und die Atmosphäre bei solchen Schwierigkeiten rüberkommen, kann man sich ja denken. Lediglich während dem letzten Teil des Spiels, vor allem beim Durchsuchen eines leeren Hauses, dem Sprit herstellen für eine Wagen und dem Besuch in einer Bibliothek konnte ich mich ein Weilchen in das Spiel hineinleben. Die übrige Zeit empfand ich fast durchgehend als nervig.
Überraschend ist auch, wie schnell man in diesem Spiel an ein Game over kommt - zB wenn man drei mal versucht, das Büro des Sheriffs zu betreten. Oder wenn man, nachdem man zwei Männer am Fenster vorbeilaufen sieht, nicht sofort auf die Idee kommt, in den nächsten Raum zu flüchten und sich im Schrank zu verstecken. Solche Lösungen, auf die man nur kommen kann, wenn man vorher ins Gras beißt, sind unfair.

Angesichts all dieser Schwächen ist es kaum möglich, das Spiel positiv zu bewerten. Mir ist durchaus klar, dass es sich hier um ein Indie-Game handelt, und die zwei Italiener haben sich vermutlich auch Mühe gegeben... aber wenn man das Ergebnis mit dem Ein-Mann-Spiel The Lost Crown vergleicht, liegen da Welten dazwischen.

Die italienischen Inventarbeschreibungen hätte man als Zeichen des guten Willens doch wenigstens durch Babelfish jagen können, die ständig zuklappende Inventarleiste konnte doch keinen wirklich sinnvollen Grund gehabt haben, die Crashes hätten auch nicht sein müssen und was die Handlung betrifft, wäre bei diesem durchaus interessanten Ansatz doch sicher auch mehr drin gewesen, wenn man das ganze ein bisschen besser durchdachte hätte.
Wirklich schade, dass dem nicht so war.
Andrerseits: gut, dass ich wieder mal ein richtiges B-Game gefunden habe.

Meine Bewertung für Aurora - Das letzte Experiment lautet daher: 3 Punkte.

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