Mittwoch, 6. April 2011

Erfahrungsbericht: Star Heritage - The Black Cobra


Nach langer Zeit habe ich endlich wieder ein Spiel gespielt, dass die Bezeichnung B-Game wirklich verdient. Zumindest, wenn man sich einer großzügigen und wohlwollenden Ausdrucksweise bedient.

Der Titel dieses Action-Adventures lautet Star Heritage, mit dem Zusatz "The Black Cobra". Das Spiel wurde 2005 von der russischen Step Creative Group entwickelt. Das Spiel ist - wenn ich Google's Russisch-Übersetzung trauen darf - eine Fortsetzung oder ein Remake eines Spiels aus dem Jahr 1995 für den ZX-Spectrum. Danach war offenbar ein Prequel mit dem Titel "Ship of Ages" geplant, aber außer ein paar Screenshots aus dem Jahr 2006 gibt es zu dem Thema nichts zu finden.

Allerdings spricht die Russisch-Übersetzung der Entwickler-Homepage Ende 2010 von "eine mögliche Reinkarnation von Heritage das Spiel in der Client-MMORPG - Projekt [...] Online".
Es wäre gut möglich, dass das Spiel in Russland mehr Fans hat als hierzulande, denn ein beträchtlicher Teil der Star-Heritage-Katastrophe ist nicht auf auf dem Mist der Step Creative Group gewachsen, sondern geht zulasten des deutschen Publishers Kalypso.
Mich würde es nicht überraschen, wenn einige der Verantwortlichen noch heute Alpträume haben, wenn sie an "Star Heritage" zurückdenken. Was man sich hier an Fehlern und Peinlichkeiten bei der Übersetzung, Sprachausgabe und den Untertiteln geleistet hat, ist kaum zu fassen.


Aber alles mal schön der Reihe nach.
Star Heritage verspricht laut Verpackung ein Sci-Fi Adventure mit nicht-linearem Handlungsverlauf und kniffligen Rätseln.

Die Installation verläuft problemlos, ich starte und klicke auf Neues Spiel. Daraufhin darf ich mir eine dreiviertel Minute lang den Schriftzug LAUDUNG ansehen, was mir genug Zeit gibt, darüber nachzudenken, ob das wohl für Loading oder Landung stehen soll.

Dann folgt ein gar nicht so schlechtes, wenn auch ein wenig theatralisches Intro. Leider brauche ich einige Anläufe, bis ich es vollständig gesehen habe, denn es bricht sofort ab, wenn man versucht, die Lautstärke zu ändern oder Screenshots zu machen.
Kurzinhalt: böse Außerirdische der Rasse Artang unterjochen die Menschen, der Protagonist kämpft dagegen an, kapert ein feindliches Raumschiff, schießt ein paar Artang-Schiffe ab und rettet sich gerade noch in eine Rettungskapsel, bevor alles in die Luft fliegt.

Abgestürzt.

Zu Beginn des Spiels ist der Protagonist mit der Rettungskapsel auf einem unbekannten Planeten abgestürzt. Hier gilt es erstmal zu überleben, in zweiter Linie, von dem Ort wegzukommen, als drittes Ziel schwebt über all dem natürlich der Kampf gegen die bösen Unterdrücker und als vierter Punkt ergibt es sich, mehr über das auszufinden, das man im Verlauf des Spiels auf dem Planeten entdeckt.

Der namenlose Bruchpilot ist, mit Ausnahme seiner Hände, während des ganzen Spiels nicht zu sehen. Der Bildschirm zeigt erstmal ganzflächig hübsch gerenderte Planetenbilder. Die Steuerung erfolgt fast gänzlich mit der Maus, lediglich zum Speichern muss man Esc drücken.
Wenn es etwas gibt, dass man näher untersuchen kann, dann verändert sich, wie bei Adventures üblich, der Mauszeiger. Bei Star Heritage sind die zu untersuchenden Objekte durch ein rechteckiges Feld markiert, in den meisten Fällen ist dieses so groß, dass es schwer fällt, es nicht zu sehen.

Fährt man mit der Maus zum unteren Rand, erscheinen zwei weitere Elemente auf dem Bildschirm. Auf der rechten Seite ist das eine kleine Karte mit 9x9 Feldern. Man befindet sich in dem mittleren und kann via Maus in eines der benachbarten Felder klicken, um sich dorthin zu begeben. Will man mehr Übersicht, kann man sich per Klick auch die ganze Karte der Umgebung anzeigen lassen.
Links erscheint eine kleine Leiste mit 4 Symbolen. Das erste zeigt den eigenen Gesundheitszustand, das zweite ein Tagebuch mit den wichtigsten Geschehnissen, das dritte eine Tasche, mit der man das Inventar öffnen kann und das vierte ein Uhrsymbol, mit dem man den Charakter schlafen lassen kann.

Ruinen. Und In-Game-Menü.

Lezteres ist zwingend nötig und stellt einen stark erschwerenden Faktor im Spiel dar. Die Gesundheit setzt sich nämlich aus zwei Faktoren zusammen: der eigentlichen Gesundheit und der Ausdauer. Die Gesundheit sinkt beim Reisen oder Kämpfen und kann nur durch die Einnahme von (beschränkt vorhandenen) Wiederherstellungstabletten oder Beeren wieder erhöht werden, während die Ausdauer durch Schlafen steigt - doch je schlechter die Gesundheit, umso weniger steigt die Ausdauer.
Außerdem ist nicht jeder Ort zum Schlafen geeignet: an kalten oder regnerischen Orten wird man krank, an anderen wird man von feindlichen Artangs entdeckt. Letzteres endet sofort tödlich, ersteres nur, wenn man nicht rechtzeitig etwas dagegen tut.
Da das Reisen von einem Feld ins nächste Ausdauer kostet, und man in vielen Feldern nicht schlafen kann, muss man sich also sehr genau einteilen, wo man in welcher Reihenfolge hinreist und wann man spätestens schlafen muss, sonst ist man sehr oft sehr schnell tot - insbesondere dann, wenn man die Gegend noch gar nicht kennt und daher nicht weiß, was einen in den Nachbarfeldern erwartet.

Doch erstmal schau ich mir, nach einem kurzen Nickerchen, die kaputte Rettungskapsel an. Die Konversation mit dem Bordcomputer kommt mir seltsam vor, aber noch gehe ich davon aus, dass es an der fremden Alien-Sprache liegt, wenn ich hier nur Bahnhof verstehe.

?

Als nächstes erforsche ich die nähere Umgebung und entdecke erstmal viele verschiedene Dinge, an denen man sterben kann: Spinnen, Waldzwerge, Sumpfmonster, Artangs, Erschöpfung,...
Dabei mache ich im Menü noch mit weiteren interessanten Begriffen wie SPEICHEERN und ZURUCKOMMEN Bekanntschaft.

Nach ein bisschen Übung habe ich das an und für sich simple Kampfsystem durchschaut: wenn der Gegner losschreit, schnell blocken, dann zuschlagen. Nach drei toten Gegnern kann ich endlich den Planeten weiter erforschen.
Schnell stelle ich zwei Dinge fest:
1) Die Sprachausgabe ist so schlecht, dass es schlechter nicht geht. Schlechter als Eva Cash, und das will was heißen.
2) Die seltsamen Zeichen in den Dialog-Menüs sind keine außerirdische Schrift, sondern ein Bug, der verhindert, dass ich das Spiel sinnvoll weiterspielen kann.

Nach einigen erfolglosen Versuchen, aus den Reaktionen meines Gegenübers herauszulesen, was ich durch die Auswahl eines unleserlichen Dialoges wohl gesagt haben könnte, mache ich mich also auf Patch-Suche. Praktischerweise werde ich auf den Seiten von Kalypso fündig - ich hatte ja befürchtet, dass die im Nachhinein jegliche Verbindung zu diesem Spiel abstreiten.
Der 100MB große Patch löst tatsächlich das Schriftproblem, und auch gleich die Sache mit LAUDUNG & Co.

Schreckliche Kreatur aus dem Sumpf.

Ich forsche also weiter, stoße auf ein paar wirklich nett gemachte Orte, löse einige eher simple Rätsel, lerne ein paar Leute kennen, kämpfe ein wenig... bis ich feststelle, dass ich in einer Sackgasse gelandet bin und nicht weiterkomme.
Leider weiß ich nicht, ob das eine der vielen "echten" Sackgassen ist - nicht-linearer Handlungsverlauf bedeutet hier nämlich, dass es viele ausweglose Situationen gibt, bei denen nur das Laden eines früheren Speicherstandes hilft - oder ob es an einem Bug liegt. Ist letzten Endes aber sowieso egal, denn das Ergebnis ist das gleiche: ich muss ein ganzes Stück zurückspringen und einiges nochmal machen.

Da ist auch der Kommunikator-Bug nicht hilfreich, der dafür sorgt, dass beim Benutzen desselben plötzlich alles hängenbleibt und man das Spiel via Taskmanager killen muss - besonders blöd, wenn man auf Informationen dieses Geräts angewiesen ist. Aber mit genug Geduld und unzähligen Neustarten klappt auch das irgendwann.

Nichts geht mehr.

Es folgen noch ein paar unterschiedlich schwere Rätsel - entweder so simpel wie "brich Ding mit Stange auf" oder so unlogisch wie "saug dir Zahlenkombination aus den Fingern". Als nächstes darf ich noch einen weiteren Bug kennenlernen: den, wo niemand mehr mit mir sprechen will. Und just, als ich denke, dass es langsam spannend wird, folgt der Abspann.
Ohne Erklärung, was jetzt eigentlich... und wie... und warum... und wieso überhaupt?
Das war's. Ende. Aus.

Dann zerpflücken wir das Teil mal.
Was die Storyline betrifft, da hätte man durchaus etwas machen können... wenn man in irgendeine Richtung zu Ende gedacht hätte. Oder sich zumindest mal grob eine Handlung überlegt hätte. Hat man aber offenbar nicht. Was sich hier bietet, ist sowas wie die nirgendwo hinführende erste Hälfte des ersten Kapitels eines Buches.

Bahnhofshalle.

Die Charaktere sind... da. Mehr aber auch nicht. Der Bruchpilot entwickelt kaum eigenen Charakter, und quasselt zu viel über Belangloses - und das auch noch schlecht. Auch die anderen Personen haben keinen eigenen, ausgeprägten Charaktere. Selbst die verschiedenen Rassen der Außerirdischen unterscheiden sich in ihrem Verhalten nicht von den Menschen, im Prinzip wären alle beliebig austauschbar.

Die Sprachausgabe ist, wie schon angesprochen, das schlechteste, was mir in meiner langen Spiel-Laufbahn je untergekommen ist. Die Sprecher und Sprecherinnen haben kein Gefühl für das was sie sagen, betonen an den unmöglichsten Stellen und scheinen zum Teil auch gar nicht der Sprache mächtig zu sein, die sie da so holprig vorlesen.
Die Lautstärke ist ebenfalls sehr unausgeglichen, vor allem in den Zwischensequenzen ist der Sprecher kaum zu hören.

Impressionen.

Dazu kommt noch, dass die Dialoge grundsätzlich schlecht sind und nicht wirklich zusammenpassen, die Übersetzungen sind fehlend oder fehlerhaft und die Untertitel strotzen nur so vor Rechtschreibfehlern. Die Punkte am Satzende werden stellenweise auch nicht korrekt dargestellt.

Immerhin ist die Musik gar nicht so schlecht gelungen, jedenfalls erheblich besser, als das Spiel erwarten ließe. Auf der Seite der netten Russen kann man sogar den Soundtrack runterladen.

Die Grafik ist zwar nicht herausragend, aber ganz nett anzuschauen, zumindest die vorgerenderten Hintergründe sind sehr hübsch gezeichnet. Durch vorbeifliegende Vögel, Raumschiffe oder Fahrzeuge wirkt sie nicht ganz tot und der spielinterne Tag-Nacht- und Wetterrhythmus sorgt nicht nur für unterschiedliche Ansichten, sondern auch für eine nette Atmosphäre.

Tag und Nacht, Wind und Wetter.

Leider wird diese von anderen Elementen - wie etwa der Sprachausgabe - sofort wieder zunichte gemacht.
Die Figuren - alle in 3D dargestellt - sind nicht gerade gut getroffen, rühren sich kaum von der Stelle und bewegen den Mund nicht, wenn sie reden.
Insgesamt gibt es viel zu viele leere Räume, in denen es nichts zu tun oder zu entdecken gibt.

Es gibt keine unterschiedlichen Schwierigkeitsgrade im Spiel, an eine Menge Tode sowie regelmäßiges Speichern und Laden muss man sich gewöhnen. Während das erste Laden nach dem Starten des Programms noch um die 40 Sekunden dauert, geht das Laden und Speichern im Spiel zum Glück wesentlich schneller.
Man hat unbegrenzt Speicherplätze frei, die gespeicherten Spiele sind sehr übersichtlich mit Mini-Screenshot und Gesundheitszustand aufgelistet.

Übersichtlichkeit: sehr gut.

Die Kämpfe, die insgesamt betrachtet nur sehr sporadisch vorkommen, sind ziemlich einfach, sobald man mal den Dreh raushat.
Unfair sind viele Tode und Sackgassen, weil man sie nicht im Vorhinein erahnen kann. Jedenfalls habe ich bei diesem Spiel erheblich mehr Tode erfahren, als man es in einem Adventure vermuten würde. Das trägt nicht unbedingt zum Spielspaß bei - aber das tut ohnehin kaum etwas in diesem Spiel.


Wüste.

Zusammenfassend hätten wir also eine mangelhafte Story, eine Sprachausgabe, die so schlecht ist, dass ich bei der Bewertung eigentlich in den Minusbereich vordringen müsste, sehr böse Bugs, ein unfaires Spielsystem, akzeptable Musik und nette Grafik.

Auf meiner Skala gibt das 2 von 10 Punkten (und ich frage mich gerade ernsthaft, ob ich Eva Cash wohl unterbewertet habe).