Dienstag, 22. März 2011

Review: American McGee's Alice


Bei diesem Review geht es um American McGee's Alice. Normalerweise gibt es immer einen Link zur offiziellen Seite des Spiels, dass dies bei einem so bekannten Titel wie Alice entfällt liegt daran, dass der Publisher nur mehr eine Seite zum Nachfolgetitel führt - was ich ehrlich gesagt sehr enttäuschend finde, das Spiel ist doch ein Klassiker.

American McGee's Alice wollte ich eigentlich schon vor rund 10 Jahren mal spielen, aber irgendwie kam es nicht dazu. Jetzt habe ich es endlich nachgeholt, und es war durchaus ein Spiel nach meinem Geschmack.

Das Spiel wurde 2000 von Rogue Entertainment entwickelt, die ihrerseits schon vor 10 Jahren geschlossen wurden. Bei Alice handelt es sich um ein 3rd-Person Action-Adventure mit Shooter- und Hack'n'Slash-Elementen - wobei diese Bezeichnung vielleicht nicht ganz den Kern der Sache trifft.
Von den vielen ähnlich gearteten Spielen unterscheidet es sich hauptsächlich durch das surreale Setting und die ungewöhnlichen Waffen.

Die Installation funktionierte absolut reibungslos und das Spiel startete ohne irgendwelche Probleme - schon mal ein guter Anfang.

Die Handlung lässt sich ziemlich einfach zusammenfassen: es geht um die geistige Genesung von Alice, die nach einem Brand, bei dem ihre gesamte Familie umkam, im Irrenhaus gelandet ist. Die Handlung spielt sich also lediglich in ihrem Kopf ab, in einem äußerst düster gewordenen Wunderland.

Ein Brand im Intro.

Die Hauptrolle spielt, wenig überraschend, Alice. Diese ist also Insassin einer geschlossenen Anstalt und zeichnet sich neben ihrem kranken Geisteszustand voll mordlüsternen Phantasiegestalten durch das Tragen einer blutverschmierten Schürze und das (eingebildete) Besitzen lebensgefährlicher Spielzeuge aus.

Alice.

Das eigentliche Spiel ist in eine Karte mit 9 Regionen und knapp 40 Levels mit insgesamt 9 Bosskämpfen unterteilt.
Neben Kämpfen gibt es auch einige Geschicklichkeitsaufgaben und diverse Rätsel zu lösen.
Dabei reist Alice quer durch das Wunderland, begegnet vielen aus der Geschichte bekannten Gestalten wie dem weißen Kaninchen, der Grinsekatze, Kartensoldaten, dem Jabberwocky, der pfaffende Raupe, dem verrückten Hutmacher und vielen anderen, um sich schließlich am Ende im finalen Kampf der Herzkönigin zu stellen.

Das Spiel ist ziemlich linear, im Prinzip hat man nur hin und wieder die Wahl, durch welche von 2 Türen man zuerst geht. Ich fand das aber nicht sonderlich störend, sondern im Rahmen der Geschichte durchaus schlüssig.

Bekannte Gesichter.

Die Steuerung war einfach, mit Maus und Tastatur, bei freier Tastenbelegung. Im Gegensatz zu vielen anderen Spielen mit Geschicklichkeitselementen wird bei Alice (sofern man die entsprechende Option aktiviert hat) durch kleine, weiße Fußabdrücke angezeigt, wo die Figur bei einem Sprung landen wird, was viele Sprungrätsel natürlich entschärft.
Lediglich während der ersten beiden Levels hatte ich im Kampf ziemliche Probleme, weil Alice einfach nicht auf meine Kampfkommandos reagierte, und man sich nun mal ziemlich schwer tut, Gegner zu töten, wenn die Protagonistin nur doof rumsteht. Nach einer Überprüfung der Tastenbelegung und der Feststellung, dass ich Aktionstaste 1 gar nicht belegt hatte, erübrigte sich dieses Problem glücklicherweise.

Ein paar Impressionen.

Das Spiel bietet 4 Schwierigkeitsgrade an: leicht, mittel, schwer und Alptraum. Ich habe auf mittel gespielt und fand diesen Schwierigkeitsgrad im Großen und Ganzen ok, lediglich die Bosse waren teilweise ziemlich anstrengend.

Der Spielbildschirm ist einfach und simpel aufgebaut: er zeigt in der Mitte die Rückansicht von Alice. Auf der linken Seite befindet sich ein roter Balken, der ihre Gesundheit anzeigt und auf der rechten Seite ein blauer Balken, der ihre Willenskraft anzeigt. Willenskraft verbraucht Alice für Angriffe mit ihren Waffen. Unten links ist noch die jeweils aktive Waffe zu sehen, unten rechts eventuelle Bonuseffekte.
Heilung - sowohl von Gesundheit als auch Willenskraft - kann man an bestimmten Stellen der Level in Form rumliegender juwelenartiger Objekte finden. Aber auch getötete Gegner hinterlassen Lebenskraft, die allerdings nur kurze Zeit bestehen bleibt.

Alice mit Bonus-Kraft.

Alice's erste Waffe ist ein Messer, das auch ohne Willenskraft als Nah- und Fernwaffe eingesetzt werden kann - natürlich ist es schwächer, als die späteren Waffen, aber hat eben den Vorteil, dass man es selbst dann einsetzen kann, wenn die Willenskraft alle ist.
Die übrigen Waffen sind durchaus originell, teilweise praktisch und manchmal auch verdammt stark. So kann sie eine Hasenbombe abwerfen, die entweder explodiert oder wie ein rotierender Flammenwerfer funktioniert, ein fliegendes Kartenspiel werfen, einen Blitze austeilenden Crocketschläger oder einen einfrierenden Eisstab schwingen und die absolut grandiosen Teufelswürfel auf potentielle Gegner schleudern - gern auch um die Ecke, und dann schnell abhauen, während die Würfel den Rest erledigen. Besonders toll fand ich, dass eine Waffe, die man schon hat und nochmals findet, ihren Schaden verstärkt.

Die Hasenbombe, aus sicherer Entfernung.

Die Gegner sind durchaus vielfältig, einige harmlos und andere richtig fies. So gibt es unterschiedliche starke Klassen von Kartensoldaten, welche, die nur rumrennen oder solche, die explodierende Karos auf Alice schleudern, Pilze, die sie als ganzes verschlingen wollen, fliegende Käfer, die Eichelbomben auf sie werfen, hopsende Schachfiguren mit Laserstrahl, feuerspuckende Lavawesen, vergiftende Riesenspinnen, rollende und dampfende Roboter, fiese Ameisensoldaten, und und und...
Deren Dahinscheiden wird dabei durchaus blutig dargestellt, so laufen die unteren Hälften der getöteten Kartensoldaten noch eine Weile mit spritzenden Blutfontänen herum, einer bösen Herzogin explodiert schon mal der Kopf und angezündete Gegner laufen eine Weile brennend rum, bevor sie schließlich tot umfallen.
Das erklärt wohl die "Geeignet ab 16 Jahren"-Beschränkung.
Die meisten Gegner sind zugegebenermaßen nicht besonders intelligent, so drehen zB die Kartensoldaten bei der Verfolgung von Alice schnell wieder um, wenn sie sich entfernt, aber durch fiese, hinterlistige Attacken oder Auftreten in größeren Gruppen sind sie manchmal durchaus eine Herausforderung.

Kampfszenen.

Als positiv ist hervorzuheben, dass man immer speichern kann, auch mitten in Bosskämpfen, und dass es uneingeschränkt Speicherplätze gibt. Das Laden dauert, wenn es innerhalb der selben Level erfolgt, nur wenige Sekunden - absolut lobenswert.
Sollte man nach einem Tod nicht einen gespeicherten Spielstand laden, landet man automatisch am Anfang der jeweiligen Level - was auch sehr praktisch ist, falls man mal vergessen haben sollte, rechtzeitig zu speichern.

Die Rätsel waren nicht allzu schwer, hier und da mal ein paar Hebel in der richtigen Reihenfolge ziehen, mal als Schachfigur die richtigen Sprünge ausknobeln oder in einer labyrinthartigen Anlage den richtigen Weg finden.

Schachfigur, Zahnräder, Hebel ziehen.

Etwas anspruchsvoller waren da schon die Geschicklichkeitseinlagen: auf Trampolin-Pilzen an die richtige Stelle springen, am Seil über giftiges Wasser schwingen, auf schwebenden Büchern zu einem Vorsprung hopsen, einen Weg raufklettern und hangeln, während man mit rollenden Steinkugeln und Eichelbomben malträtiert wird, durch Rohre mit gefährlicher Strömung tauchen, auf Bodenplatten rumlaufen, die in alle mögliche Richtungen wippen und auf Dampfstössen nach oben schweben. Das hört sich allerdings alles schlimmer an, als es tatsächlich ist, denn Alice ist einfach zu steuern und springt selten daneben. Ich erinnere mich an einzelne Levels aus Tomb Raider, die schwierigere Geschicklichkeitsanforderungen haben als alles, was Alice im ganzen Spiel abverlangt. Der Frustrationsfaktor ist hier also ziemlich zu vernachlässigen. Lediglich die späteren Bosskämpfe bildeten hier eine Ausnahme und haben meine Geduld etwas strapaziert.

Unter Wasser.

Was die Grafik betrifft, ist Alice eine Klasse für sich. Klar, das Spiel ist 11 Jahre alt und das merkt man auch, aber das wunderbar phantasievoll-bizarr-schaurige Setting ist zeitlos.
Alles ist irgendwie schräg, verbogen, verdreht, surreal und in Bewegung. Da gibt es ein großes, im schwarzen Nichts hin- und herschwankendes Schulgebäude, in dunklen Luftwirbeln schwebende Bodenstücke und Treppen, riesige durch die Luft fliegende Bücher, Türen, Uhren oder römische Ziffern, gackernde und zappelnde irre Gnome mit freigelegten Gehirnen oder dicken Schrauben im Kopf, Glühwürmchen, die als Lampen an die Wand getackert wurden, eine große, schwarz-weiße Burganlage mit lebenden Schachfiguren, Räume mit unzähligen dampfenden und ratternden Zahnrädern, ein labyrinthartiges, mit seltsamen Kreaturen bewohntes Schlossareal, rotglühende Lavawelten oder organisch wirkende Elemente und vielerorts Blut an den Wänden.

Vielseitige Umgebung.

Im gleichen seltsam surrealen Stil wie Alice's Umgebung ist auch die Musikuntermalung: sie erinnert an die Melodie einer Spieluhr. Jedenfalls ist die Musik äußerst treffend und fügt sich mit dem graphischen Design zu einer wunderbar düster-mysteriösen Atmosphäre, die dem wirren Geisteszustand einer Verrückten entspricht, oder zumindest dem, was man sich darunter vorstellt.
Unterbrochen wird der Spielfluss von mehreren Zwischensequenzen, die meist wenige Minuten lang sind und größtenteils Dialoge mit NPCs beinhalten.
Diese Dialoge waren für meinen Geschmack fast ein bißchen zu lang, Sprachausgabe und Sound waren in Ordnung.

Anspruchsvolle Architektur.

Ich bin während des Spiels über keine Bugs gestolpert, auch gab es keine Abstürze - alles funkte wunderbar, genau so wie es sein soll.

Das Spiel machte, bis auf ein paar Bosse, richtig Spaß und war abwechslungsreich.
Stellenweise waren die Kämpfe nicht ganz ausgeglichen, was vor allem damit zusammenhängt, dass man für die guten Waffen Willenskraft (blaue Energie) braucht. Wenn man an bestimmten Stellen des Spiels das Pech hat, dass die getöteten Gegner in die Lava plumpsen oder in die Tiefe fallen, sodass man die in ihnen enthaltene Lebenskraft nicht aufsammeln kann, dann wird das weitere Kämpfen, das mangels Willenskraft nur mit dem Messer erfolgen kann, ziemlich anstrengend und teilweise auch langwierig.
Andrerseits: je zahlreicher die Gegner, umso mehr Energie hat man zum Aufsammeln, umso mehr starke Waffenattacken hat man zur Verfügung und umso einfacher wird die ganze Sache.

Das Ding, das aus der Lava kam.

Zu meinen Lieblingslevels gehörten jene, in denen Alice klein war. Zwar gab es hier auch einige der lästigsten Stellen (nervigen Käfer mit Eichelbomben, aggressive Ameisensoldaten, Trampolin-Pilze und dornenschleudernde Blumen), aber das Blatt-Surfen war irgendwie spaßig und die Perspektive war auch interessant.
Allerdings gab es in dieser Level auch ein paar meiner Meinung nach unfaire Stellen. So muss Alice, die auf einem Blatt steht und sich von der Strömung treiben lässt, an einer bestimmten Stelle vom Blatt an Land springen, weil sie sonst runter fällt und mit großer Sicherheit von fiesen Fischen und Strudeln um die Ecke gebracht wird.
DASS dem so ist und man früher hätte runterspringen müssen, merkt man aber erst, wenn es schon zu spät ist.

Spektakulärer Kampf gegen die Herzkönigin.

Zur Verpackung ist nur so viel zu sagen, als dass sie nichts verspricht, das das Spiel nicht hält. Das Handbuch enthält eine Menge technische Infos und relativ wenig zum eigentlichen Spiel, dafür aber einen interessanten "Krankenbericht", der die ganze Geschichte aus der Sicht von Alice's behandelndem Arzt schildert.

Zusammenfassend muss ich sagen, dass Alice definitiv zu den besseren Spielen gehört, die ich in letzter Zeit gespielt habe. Grandioses Design, nette Story, phantasievoll umgesetzt und die meiste Zeit hat das Spielen Spaß gemacht... was will man mehr?

Abzüglich der nicht ganz optimale Stärke der Gegner und der nervigen Bosskämpfe gibt es daher 8 Punkte.